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TRITTICO

per corno delle alpi, corno naturale, corno francese e orchestra

 

TRITTICO „erzählt“ die Geschichte des Horns, einem der ältesten Instrumente der Menschheit.Die Wurzeln des Wortes „Horn“ sind in fast allen Sprachen sehr ähnlich. In „Shofar“ (israelisch), in „Kürt“ (ungarisch), in „Cor“ und „Horn“ ist der rollende Buchstabe „R“ enthalten, sowie ein klingender Vokal... Ein Hinweis also, dass diese Konstellation einen ganz alten Gegenstand bezeichnet. Das Stück beginnt mit einem leeren Takt... Allmählich steigen äusserst leise Atemgeräusche aus dem „Erdboden“ auf, die delikat, „dal niente“ von den schwach erklingenden Tam-tams eingehüllt werden (zu den leisesten Instrumenten im Orchester gehört paradoxerweise das Schlagzeug, genau so wie übrigens das gestopfte Horn!). Ein Wassergong gesellt sich zu diesem klanglichen Urgrund... Später löst sich ein Lichtstrahl der Oboe und der Klarinette aus den dunklen Klangfarben.

Für den Bau eines der ersten Hörner der Musikgeschichte brauchte es viele „Ingredienzien“: Erde, Licht und Wasser, um das Pflanzenwachstum zu ermöglichen (das Alphorn wurde aus hohlen Baumstämmen gefertigt, die gebogen an einem steilen Hang gewachsen waren). Und, last but not least, den Atem des Menschen, um dem Instrument Töne zu entlocken!

TRITTICO ist Olivier Darbellay „auf den Leib“ geschrieben. Als vielseitiger Hornist pflegt er schon seit längerer Zeit neben dem modernen Horn das Blasen auf Hörnern aus alten Zeiten. Das 1991 entstandene SPECTRUM, das ich für den Naturhornwettbewerb in Bad Harzburg im Auftrag von Hermann Baumann geschrieben hatte, war das erste Stück, das er regelmässig mit dem Naturhorn aus Mozarts Zeit interpretierte. Später schrieb Heinz Holliger (2006) für Kai Wessel (Countertenor) und Olivier Darbellay (Naturhorn) das Duo INDUUCHLEN, ein sehr anspruchsvolles Stück, das am Lucerne Festival uraufgeführt wurde.

In letzter Zeit entstandene Kompositionen für das Alphorn ergänzen sein Repertoire.

 

So lag es nahe, ein dreisätziges Werk für drei Horntypen zu schreiben.

Die Herausforderung ist, entsprechend, eine dreifache:

- auf dem, bezüglich Atemtechnik „widerstandslosen“ Alphorn (die Hand kann leider nicht in den Schallbecher eingeführt werden!) ist die Gestaltung der Naturtöne einzig durch den Luftstrom und den Lippendruck möglich.

- Das Naturhorn aus der Zeit Mozarts (eigentlich ein aufgerolltes Alphorn, das gleich lang ist wie jenes) erfordert ein äusserst geschmeidiges Zusammenspiel von Luftsäule, Lippen und Hand. Die gestopften Töne sind vorherrschend. Durch das Stopfen kann das Tonreservoir dieses Instrumentes verdreifacht werden. Das Einführen der geschlossenen Hand in den Schalltrichter ermöglicht einerseits eine Erhöhung des Klanges um einen halben Ton durch Verkürzung der Luftsäule, andererseits kann die geöffnete Hand die Luftsäule verlängern, was zu einer Vertiefung um einen halben Ton führt. In beiden Fällen wird der Klang nasaler. 

- Das moderne Horn, das den Bläser von allen „Tricks“ befreit, die früher nötig waren um möglichst viele Töne zu erzeugen, erlaubt endlich ein virtuoses chromatisches Spiel auf dem heikelsten Instrument des gesamten Orchesters.

Entsprechend sind die drei zu einem Tryptichon vereinten „Klang-Bilder“ angelegt: Lange, an den „Alpsegen“ gemahnende Töne auf dem Alphorn (das allerdings zungentechnisch trotz des sehr reduzierten Tonvorrates viele virtuose Tonfolgen ermöglicht) stehen im Vordergrund. Da eine, im üblichen Sinne bewegte Kadenz mit Läufen und Verzierungen nicht möglich ist, ruft der Solist einige Soloinstrumente im Orchester auf, kleine, bewegliche Einlagen zu spielen.

Das Naturhorn bläst in der Folge im langsamen Satz vorwiegend gestopfte, sehr leise Töne. Eine besondere Intimität des melodischen Ablaufs ist die Folge und gemahnt an ein Wiegenlied. Das Orchester begleitet im äussersten ppp-Bereich und Bassklarinette, Oboe und Fagott antworten dem Solisten entsprechend delikat.

Im dritten „Bild“ dann die Befreiung: der Solist ist endlich in der Lage, alle chromatischen Töne zu blasen. Die vier Orchesterhornisten stimulieren denn auch den Solisten (mit dem gleichen Aufruf des Alphorns wie im 1. Satz),  ein paar virtuose, verspielte, quasi „improvvisando“ empfundene, kadenzartige Tonfolgen vorzutragen, die schliesslich zu einer choralartigen Coda führen.

So rundet sich die Freske in Zeit und Raum ab und beschliesst die „kleine Geschichte des Horns“ in einem einzigen Stück organisch ab.

J-L. D.

 

Alphornklänge und himmlische Musik

Oper war am Freitag. Am Samstag war die Bühne Podium für das zweite Philharmonische Konzert der Saison. Fabio Luisi dirigierte ein fesselndes Programm mit Werken von Darbellay, Gubaidulina und Mahler.

Dass das Opernhaus am Samstagabend nicht Oper spielt, sondern Konzert macht, ist bemerkenswert und ein Zeichen dafür, wie ernst es dem Generalmusikdirektor mit der Positionierung des Opern- als Konzertorchester ist. Die ambitionierte Programmierung kommt hinzu: im Zentrum des Abends ein gefeiertes, gross instrumentiertes Werk von Sofia Gubaidulina, das 2007 am Lucerne Festival von Anne-Sophie Mutter uraufgeführte Violinkonzert «In tempus praesens»; zu Beginn gar die Uraufführung eines Auftragswerks: Man durfte gespannt sein auf Jean-Luc Darbellays «Trittico – Concerto in tre movimenti per corno delle alpi, corno naturale e corno francese». Der zweite Teil des Abends galt dann der 4. Sinfonie von Gustav Mahler, diesem Schwellenwerk der Moderne, das noch einmal, auch augenzwinkernd, in Romantik schwelgt.

Seit dieser Saison hat das Opernhaus eine optisch und akustisch attraktive Bühneneinrichtung speziell für Konzertauftritte. Das erlaubt der Philharmonia Zürich nun eine Konzertplanung unabhängig von der Tonhalle, und man mag darob auch ein wenig irritiert sein, wenn die beiden grossen Klangkörper der Stadt am selben Abend zum Konzert laden.

Falsch war die Entscheidung nicht, ins Opernhaus zu gehen, was man erlebte, war aussergewöhnlich.

Darbellays Hornkonzert, das geradezu didaktisch «Horngeschichte» betreibt, bot ungewöhnliche

Klangeindrücke. Das Alphorn wird hier aus Atem- und anderen vormusikalischen Geräuschen als

«urtümliches» Instrument eingeführt. Folklore meint der Schweizer Komponist also gerade nicht eigentlich. Vom Archaischen zum stimmungshaft Lyrischen führt dann der Wechsel zum Naturhorn, und ins zeitgenössische Konzert mit allem Anspruch an das Instrument im komplex ausdifferenzierten Umfeld des grossen Orchesters geht es im dritten Teil mit dem Ventilhorn.

Der Solist, der es bekanntlich ohnehin mit einem heiklen Instrument zu tun hat, ist mit dem Wechsel vom einen zum anderen vor eine höchst anspruchsvolle Aufgabe gestellt, aber Darbellay wusste, wem er sie zutraute: Sein Sohn, der Hornist Olivier Darbellay, war der souveräne Interpret des «Trittico».

 

Herbert Büttiker in „Der Landbote“ vom 27.10.2014